FREDI BREUNIG

Fredis Glosse

Unzurechnungsfähig (Hochdeutsch)

22.08.2017
Neulich war ich mit meiner Frau wieder einmal zu einer Hochzeit eingeladen. Und habe schnell festgestellt, dass sich im Vergleich zu früher schon viel geändert hat. Erstens konnten wir früh schön ausschlafen, da die Kirche erst um halb zwei Uhr nachmittags war. Das ist heutzutage angeblich meistens so. „Kaffeehochzeit“ hat man dazu früher abfällig gesagt. Zweitens waren, wie ganz früher, keine kleinen Tellerchen mit offenen Zigaretten auf den Tischen gestanden und drittens hat der Bräutigam rein äußerlich einen überraschend guten Eindruck gemacht, als er zu seiner Kirche gekommen ist. Das mag an der späten Anfangszeit gelegen haben, mehr aber sicher an einem entscheidenden Punkt, der sich grundlegend geändert hat. Früher waren die Polterabende noch am Freitagabend, also praktisch nur einen Tag, oder genauer gesagt, nur ein paar Stunden vor der kirchlichen Trauung. Im Nachhinein verantwortungslos und 99% aller Ehen, die unter diesen Umständen geschlossen sind, gehören rückwirkend heute noch annulliert. Warum? Weil 99% der Bräutigame bei der kirchlichen Trauung unzurechnungsfähig waren. Polterabende am Freitagabend! Da bist du als Bräutigam so früh um halb fünf/fünf Uhr stockvoll besoffen heimgetragen und um neun Uhr unsanft schon wieder geweckt worden. Man hat dich in einen schwarzen Anzug gesteckt, du bist vor ein großes, weißes Haus mit einem hohen Turm gezerrt worden und so gegen viertel zwölf Uhr hat dich ein weiß und feierlich gekleideter Herr, den du schon einmal gesehen hast, unvermittelt gefragt, ob du das hier anwesende, neben dir stehende Wesen als Frau willst. Bis du richtig geschnallt hast, um was es eigentlich geht, ist dir schon seitlich mehrfach aus den ersten Bänken zugezischt worden „Sag‘ endlich „Ja“!“ und es war geschehen. Gefallen hat mir, dass sich der Brauch, bei dem sich spätabends die Braut mit ihrem Strauß hinstellt und die Blümchen dann rückwärts in Richtung der versammelten Jungfernschaft (ha, ha, ha!) wirft, bis heute gehalten hat. Wer den Strauß fängt, heiratet als nächstes, so der (Aber-) Glaube. Eine Woche später war ich auf einer Beerdigung, hatte auch ein Sträußchen dabei und habe mir gedacht: jetzt machst du auch einmal einen Spaß! Und habe meine Blümchen rückwärts Richtung Trauergemeinde geworfen. Hätte ich nicht machen sollen. Die alte Klothilde hat meinen Strauß aufgefangen. Wenn Blicke töten könnten ……. Servus, der Eustach.

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